5. Tag, Stettiner Hütte – Haselgruber Hütte
85,0 km, 6:45 Stunden, Durchschnitt 12,4 km/h, 2.200 Höhenmeter
Unser Schlaf auf der Hütte war im Achter-Zimmer etwas unruhig. Nach dem Frühstück gingen wir zu den Rädern, die die klare Nacht draussen verbracht haben und stellten fest, dass das restliche Wasser in den Radflaschen komplett gefroren war. Für kleines Geld füllten wir die Flaschen mit Trinkwasser auf, da auf der Hüttentoilette kein Trinkwasser vorhanden und um die Hütte kein Brunnen zu sehen war.
Auf den wenigen Metern hinauf aufs Joch beobachteten wir einen Hubschrauber der eine Person vom Tal hochflog und auf der Hütte absetzte. Das ganze Schauspiel ging erstaunlich schnell vonstatten, als der Hubschrauber sich bereits wieder in unglaublichen Tempo ins Tal stürzte. Das Wetter zeigte sich am morgen von seiner besten Seite und auf dem Joch genossen wir nocheinmal die herrlichen Rundblicke ehe wir uns gen Tal stürzten. Zusammen mit einigen anderen Bikern fuhren wir auf dem alten holprigen Militärtrail ins Tal. Die Fahrer mit Fully waren hier eindeutig im Vorteil. Nach einiger Zeit fingen meine Arme und Hände von der ruppigen Abfahrt an zu schmerzen und ich musste einige Male kurz anhalten, da ich Schwierigkeiten bekam bei höherem Tempo bei dem Gepolter den Lenker festzuhalten. Trotz allem waren wir noch schneller bergab als manch andere mit stark gefedertem Liteville.
Nachdem wir auf dem Trail einige Biker überholt haben, ließ meine Kraft nach das Bike über die zahlreichen, aus grobem Stein gebauten Wasserrinnen zu heben. So kam es dann, dass mein Hinterrad in einer Wasserrinne durchschlug und der Schlauch zwei fingerdicke Löcher zu beklagen hatte. Bei der Pannenbehebung überholte uns wieder eine größere Gruppe tlw. mit hämischen Grinsen, die wir vorher bergab überholt hatten. Als wir weiter abfuhren, hatte jedoch einer aus der anderen Gruppe einen Durchschlag und wir passierten Sie wieder.
Nachdem wir am Eishof angekommen waren, fuhren wir weiter in rasantem Tempo einen Forstweg bergab, vorbei an zahlreichen Almen die uns immer aufhielten, weil Viehtore auf- und zugesperrt werden mussten. Die unendliche Abfahrt ging schließlich auf kleinen und später auf größeren Straßen bergab, bis wir das Vinschgau erreichten. 2.400 Höhenmeter haben wir ohne einen einzigen Gegenanstieg im Sinkflug vernichtet! Hammer! In Naturns kauften wir im Radgeschäft einen neuen Schlauch ein und zogen die warmen Radklamotten aus. Es war nun sehr warm im Tal und wir fuhren in kurzen Sachen weiter. Nach einigen Kilometern auf einem Radweg entlang des Vinschgaus erreichten wir Rabland und erschummelten uns 800 HM mit der Seilbahn hinauf nach Aschbach. Nach 30 minütiger Wartezeit an der Talstation wurden wir schnell samt Rädern hinauftransportiert und wir konnten die letzten Höhenmeter bis zum Vigiljoch im flotten Tempo in Angriff nehmen.
Wir eilten uns, da die fünfte Etappe auf dem Papier die schwierigste war und Etappe drei und vier bereits viel Zeit gekostet haben. Ohne große Pause nahmen wir die Abfahrt vom Vigiljoch in Angriff. Auf der Abfahrt hatten wir spektakuläre Aussichten in die Dolomiten und ins Etschtal. Die Mittagshitze brachte uns richtig ins schwitzen. Wir probierten einige Trails auf der Abfahrt aus, die teilweise fahrbar waren, teilweise aber komplett geschoben werden mussten. Daraufhin entschlossen wir auf Forststraßen abwärts zu rollen, da wir noch einiges vor uns hatten.
Im Ultental angekommen fuhren wir das Tal aufwärts in Richtung Zoggler Stausee. Nach wenigen Kilometern überkam uns der Heißhunger und wir setzten uns auf eine Mauer am Straßenrand und vesperten unsere Vorräte. Wir setzten unsere Fahrt fort und rollten langsam bei glühender Hitze die Straße hinauf. In St. Pankratz geschah dann etwas ungewöhnliches: Wir rasteten an einem Dorfbrunnen um unsere Flaschen aufzufüllen und ich nutze auch die Gelegenheit einige Kleidungsstücke durchzuwaschen, da gab es ein lautes zischendes Geräusch. Mein Hinterrad hat die komplette Luft verloren. Der neue (Latex)Schlauch ist aufgeplatzt und musste ersetzt werden. Vermutlich sind Latexschläuche empfindlich gegen Hitze, da mir dies schoneinmal passierte. Die Panne konnte jedoch schnell behoben werden.
In St. Gertraud kauften wir nochmal ordentlich Kalorienvorräte für den Anstieg aufs Rabbijoch. Zuerst ging es auf moderaten Forstwegen gemütlich ein Seitental hinauf und wir waren bester Laune. Doch oberhalb der Baumgrenze wurde es wieder unerträglich heiß und nach erreichen der Kaseralm wurde der Weg brutal. Der Forstweg wurde steiler und steiler und wir quälten uns im ersten Gang hinauf, immer bedacht, dass das Hinterrad im Schotter nicht durchdreht und das Vorderrad nicht abhebt. Die Hitze ließ uns aus allen Poren schwitzen. Zwischenzeitlich erfrischten wir uns im Bach da der salzige Schweiß die Augen brennen ließ.
Oberhalb von 2.000m wurde es schließlich dann so steil, dass wir vorzogen zu schieben. Einige kurze Teile waren wieder fahrbar, ehe uns die nächsten Rampen aus dem Sattel zwangen. Unterhalb des Joches sahen wir bereits oben ein großes Steinmännchen thronen. Mit dem (vermeintlichen) Ziel vor Augen nahmen wir den Schlussspurt über einen Wanderweg. Wohl wissend, das die Haselgruber Hütte direkt unterhalb des Joches liegt wähnte ich mich bereits kurz vor dem Steinmandl in Gedanken bei einem Weissbier auf der Sonnenterasse. Doch dann kam die Ernüchterung. Nachdem Steinhaufen ging es auf verblockten Wanderwegen wieder bergab und kurz darauf wieder berghoch – noch höher!
Nachdem der Schreck verdaut war kämpfte ich mich weitere zwanzig Minuten bis auf das Rabbijoch (2.487m). Dort war dann auch – Gott sei Dank – die Hütte zu sehen. Wir genossen die grandiosen Ausblicke nach Norden uns Süden und bestellten auf der Hütte ersteinmal ein Weißbier.
Nach dem Weißbier gab es dann schon ein leckeres italienschies Drei-Gang-Menü auf der Hütte: Pasta mit Bolognese gefolgt von Kotelett mit Bratkartoffeln und schließlich einen Apfelstrudel. In normalem Zustand war dieses Menü unschaffbar, aber nach dieser Tortur absolut kein Problem. Eine kalte Dusche später saßen wir bei Rotwein auf der Stube und ließen den Tag Revue passieren. Kurz darauf krabbelten wir mit extrem müden Beinen die Treppe hinauf in unser Zweier-Zimmer.