3. Etappe

3. Tag, Tuxerjochhaus – Schneeberghütte
78,0 km, 6:11 Stunden, Durchschnitt 12,6 km/h, 2.290 Höhenmeter

Wir nutzten die frühestmögliche Zeit und frühstückten um Punkt 7 Uhr. Ein langer Tag stand uns bevor mit Tragepassagen bergab vom Tuxer Joch und am Ende des Tages bergauf zur Schneebergscharte (2.726m). Draussen hielt sich hartnäckig der Nebel als wir die letzten Meter zum Joch (2.338m) hochfuhren und anschließend unsere Abfahrt in Angriff nahmen. Unser Roadbook kündigte einen „extremen Trail“ an, der als Schiebepassage gekennzeichnet war. Zu unserer Überraschung konnten wir große Teile des Trails fahrend bewältigen und wir hatten großen Spaß die knifflige Abfahrt zu meistern. Jedoch zwang uns der Trail im unteren Bereich dann noch doch zum schieben und teilweise sogar zum tragen der Bikes. Der nächtliche Regen lockte Alpensalamander zum Morgenbad im Bächlein, das auf unserem Trail verlief. Wir mussten aufpassen keine nassen Füsse zu bekommen.

Als wir in einem kleinen Seitental des Brenners wieder Almgelände erreichten, fuhren wir auf Schotter und später auf Teer hinab nach St. Jodok. Dort füllten wir unsere Vorräte wieder auf, u.a. mit reichlich „Pickup-Riegeln“. Der Regen setzte wieder kräftig ein, als wir die Auffahrt auf der alten Brennerstraße in Angriff nahmen. Bei starkem Touristen-Verkehr auf der engen Straße, war dies bei dem Regen eine sehr unangenehme Sache, die wir schnell hinter uns bringen wollten. Wir waren erleichtert auf dem Brenner angekommen zu sein. Oben hielten wir uns nicht lange auf: Es war nass und kalt und Richtung Süden lockte das vermeintlich warme italienische Tal. Doch Pustekuchen! Ich ließ mich während der Abfahrt im 5-Minuten-Takt über die Temperatur auf Bastians Tacho informieren. Bei Abfahrt am Brenner waren es 11°C und zu unserer Enttäuschung war es in Sterzing mit 12°C nur ein mickriges Grad wärmer geworden. Aufgrund der Nässe fror ich wie ein Schneider. Wir suchten uns in Sterzing ein Café in der Hoffnung uns zu wärmen.

Meine Stimmung war bei diesem Wetter auf dem Tiefpunkt. Meine Hände und Füße waren taub vor Kälte und Nässe. Im Café konnten auch 2 Espresso, ein heißer Kakao und eine Schokotorte meine Laune nicht bessern. So kam es, dass die geplante Schneebergscharte mit 2.700m kurzzeitig zur Debatte stand. Bei der kalten Witterung habe ich mit Schnee auf dem Übergang gerechnet. Bastian schlug vor es zu probieren und ich willigte dann ein, nachdem die Wirtin aufgrund des Nordwindes in Kürze besseres Wetter voraussagte.

Wir verliessen das Café und alles kam wie die Wirtin vorraussagte: Es hörte auf zu Regnen und eine halbe Stunde später zeigte sich auch schon wieder die Sonne. Die Sonne hatte soviel Kraft, dass sich die Luft innerhalb kürzester Zeit von 12°C auf 23°C erwärmte. Bastian fuhr sich wegen einer Glasscherbe einen Plattfuß und wir nutzten gleichzeitig die Zwangspause um uns der lästigen Regenkleidung zu entledigen.

Bei einem wechselhaften Sonne-Wolken-Mix fuhren wir bis zum Bergbaudorf Maiern, wo dann wieder nach und nach die schlechteren Wetterabschnitte die Oberhand behielten. In Maiern und am ganzen Schneeberg gibt es die Relikte von Europas höchstgelegenem Bergwerk, welches noch bis 1985 aktiv war, zu bewundern. Auf einer extrem steilen Forstpiste konnten wir schnell weiter an Höhe gewinnen. Mit einer Zwischenrast mit Bergkäse und Semmeln kamen wir bei einem Regenschauer an der Moarerbergalm an. Der Almwirt trug ein T-Shirt der Sesvenna-Hütte die er bis vor einigen Jahren bewirtschaftete. Auf dieser habe ich ein Jahr vorher beim Alpencross übernachtet. Ein Kakao und eine Cola später machten wir uns weiter auf den Weg. Zwei Stunden schieben und tragen wurden uns vom Wirt „angedroht“.

Wir schleppten, schoben, trugen und stiessen die Räder nach oben. Die zunehmend dünne Höhenluft und die Erschöpfung aufgrund der langen Etappe setzte uns ziemlich zu. Wir pausierten fluchten und trugen die Räder auf unseren Schultern immer höher und höher. Unsere Schritte wurden vor Erschöpfung immer kleiner und die Pausen immer zahlreicher. Belohnt wurden wir mit einem atemberaubenden Bergpanorama. Kurz unterhalb der Scharte gab es noch einige verlassene Bergbaustollen zu begutachten, ehe wir zum finalen Angriff auf die Scharte ansetzten. Auf der Südseite begrüßte uns ein freundlicheres Wetter mit Sonne die immer wieder zwischen den Wolken zu sehen war. Währenddessen hat es auf der Nordseite wieder zugezogen und durch dichten Nebel geregnet. Durch diesen bizarren Sonne-Wolken-Nebel-Regen-Mix mit Wettergrenze auf der Scharte konnten wir einen Regenbogen und bizarre „Halo-Effekte“ im Nebel auf der Nordseite bewundern. Wir standen auf der Scharte und genossen die Farbspiele und das Bergpanorama auf der Südseite. Unter uns zu beiden Seiten pfiffen die Murmeltiere.

Nach einigen Metern schieben in Richtung Süden, fuhren wir auf wunderbar trailigen Wegen hinunter zur Schneeberghütte. Wir schlossen unsere Räder im „Fahrrad-Stollen“ ein und betraten die Hütte. Uns erwartete eine gemütliche volle Gaststube, ein schönes Zimmer für uns alleine, eine heiße Dusche und die besten Nudeln der Welt! Die „Schneebergnudeln“ wurden im Nachhinein von uns zum besten Essen der Tour gekürt. Nach so einem Tag hatten wir uns diese auch reichlich verdient. Zu unserer Freude waren die Portionen auch noch riesig. Dazu gabe es eine große Schale Parmesan-Käse und eine Schale einer pikant-scharf-leckeren Chili-Würzmischung. Zur Verdauung gab es einen leckeren selbstgemachten „Schneeberger-Heidelbeerlikör“ vom Haus. Dieser mundete uns so gut, dass wir glatt eine 0,35L-Flasche für einen fairen Kurs erworben, der uns fortan bis zum Gardasee über die Berge begleiten sollte (und dabei immer leichter wurde). Nach dem Essen tranken wir noch italienischen Rotwein und hatten Unterhaltung durch eine größere Gruppe Gleichaltriger. Dieser Abend endete nicht ganz nüchtern. Kurz vor der Hüttenruhe stellte Bastian dann fest, dass seine Regenjacke aus dem Trockenraum der Hütte verschwunden war. Nachdem dieses Rätsel nicht aufgeklärt werden konnte verschoben wir die Suche auf den nächsten Tag.